Meinschliche und künstliche Intelligenz

Kennen Sie Herrn Akihiko Kondo? Ich habe ihn gestern im Gottesdienst der FeG kennengelernt. Nicht persönlich, sondern als Bild. Was ist an ihm so besonders? Er ist verheiratet. Allerdings nicht mit einer Frau oder einem Mann, sondern mit einem Wesen, das von einer künstlichen Intelligenz erschaffen wurde. Seine Partnerin heißt Hatsune Miku und entstammt einem Videospiel. Herr Kondo wurde als Jugendlicher gemobbt und war sehr einsam, bevor er die Spielfigur kennenlernte und sie heiratete, was in Japan tatsächlich möglich ist.
Und wieso kommt Akihiko Kondo in einem Gottesdienst in der FeG vor? Das Thema dieses besonderen Gottesdienstes war „Künstliche Intelligenz“. Mit viel kluger menschlicher Intelligenz war der Gottesdienst gestaltet: Wir erfuhren, was alles mit KI möglich ist, wie sie entstanden ist und welche Bedeutung sie für uns Menschen haben könnte. So hörten wir ein Lied, das eine KI aus der Vision der FeG Bad Schönborn komponiert hat – mit Text (gereimt auf Deutsch) und ansprechender Melodie. Vor dem Gottesdienst hatten die ersten Besucher angegeben, welche Wörter ihrer Meinung nach unbedingt in einer Begrüßung im Gottesdienst vorkommen sollten – und so wurden wir von einer durch KI generierten Stimme begrüßt, und tatsächlich war die Begrüßung freundlich, gehaltvoll und ansprechend. Aber will man das? Kirchenlieder von KI erfunden und begrüßt von einer künstlichen Person – und sei sie noch so nett?
In seiner Predigt geht Pastor Jens Deiß darauf ein: „Die einen halten KI für den zukünftigen Erlöser, durch den alle Probleme gelöst werden können. Die anderen verteufeln KI und halten den Untergang der Menschheit oder gar der Welt für nahe herbeigekommen!“, sagte er. Und weiter: „Über welchen biblischen Text soll man predigen, denn KI kommt natürlich nicht in der Bibel vor.“ Und wie so oft ist es gut und richtig, wieder am Anfang anzufangen. Der Schöpfungsbericht sagt uns, dass jeder Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen ist und dass er „als Mann und Frau“ geschaffen ist – also nicht als Einzelperson, sondern als jemand, der aus Beziehungen lebt.
Die Predigt kommt nicht mit simplen Deutungen, sondern sie stellt kluge Fragen. Wie stehen wir zu künstlichen Intelligenzen, die Lieder komponieren, Texte erfinden, Bücher schreiben können? Die aber auch Kriege führen und Menschen manipulieren können? Ich kenne Menschen, die an KI glauben und in einer angeblich goldenen Zukunft alles davon erwarten. Und ich kenne Menschen, denen das, was heute möglich ist, Angst macht: Wo soll das hinführen?
„Seit Gott Mensch wurde, ist der Mensch das Maß aller Dinge.“ So hat es Karl Barth vor vielen Jahren formuliert und ich ahne, dass angesichts dessen, was sich durch KI verändern wird, die (Mit-) Menschlichkeit noch einmal ganz neu in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Noch einmal Karl Barth: „Wer nicht Mitmensch ist, ist Unmensch!“ Führt KI zu mehr menschlichem Miteinander oder zu mehr unmenschlichem Gegeneinander? Und was tun und lassen wir, um das eine zu fördern und das andere zu verhindern? Das war ein inspirierender Gottesdienst, der wichtige Fragen aufwirft, die auch meine eigenen Fragen sind und der keine einfachen Antworten liefert, sondern Hinweise gibt, wie ein verantwortungsvoller Weg weitergehen kann. Und eins ist dabei sicher: Es wird ein gemeinsamer Weg sein. Als Gemeinde und Gemeinschaft von Christen sind wir Weggemeinschaft auf diesem Weg in der Nachfolge von Jesus Christus.
Sie wollen das Lied gerne einmal anhören und sich von der KI begrüßen lassen? Sie wollen wissen, wie es mit Herrn Kondo weiter gegangen ist? Sie möchten die Predigt zum eigenen Nachdenken selbst einmal hören? Kein Problem – auf YouTube kann man sich den Gottesdienst anschauen oder im Predigtarchiv die Predigt anhören. Es lohnt sich!
(MV)