Pfingsten – eine Luftnummer?

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Das hebräische Wort für „Geist“ lautet „ruach“. Was ist damit gemeint? Etwa ein Gespenst, das als „Geist“ herumspukt in alten Schlössern, in Geschichten oder Gedanken? Oder ist etwas Unsichtbares aus unserer Gedankenwelt gemeint, eine schöne Idee?

Nein – mit ruach ist etwas gemeint, das man erkennen und erfahren kann: es ist „bewegte Luft“. Aber nicht etwa der Wind, der bekanntlich weht, wo er will, sondern es ist die Luft, die unter den Flügeln eines Vogels in Bewegung kommt, wenn er abhebt und sich zum Fliegen anschickt. Der Geist Gottes, so sagt es uns die Bibel mit dem Wort ruach, ist das unsichtbare Etwas, das etwas in Bewegung setzt, das Fliegen ermöglicht und das Überwinden der Erdanziehung. Wir verstehen das Wort „ruach“ richtig, wenn wir an seine Wirkung denken: einen zum Himmel auffliegenden Vogel.

Pfingsten, das ist das Geburtstagsfest der Kirche. Wie ein Brausen kam der Heilige Geist Gottes auf die verzagten Jünger und plötzlich entstand eine Gemeinschaft von Menschen, die an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus glauben. Natürlich sind auch die Kritiker und Spötter dabei, die die Jünger für betrunken halten, weil sie keine bessere Erklärung für das Pfingstwunder haben. Wie sollten sie auch?

Der Geist Gottes ist wirklich eine Luftnummer. Er ist wie die bewegte Luft unter den Flügeln eines Vogels, der sich zum Himmel aufschwingt. Der Geist Gottes ist sichtbar und hörbar nicht so sehr am Brausen, sondern an der Wirkung, die er hervorbringt. Hätten die Jünger Jesu damals einen Verein der Jesus-Freunde gegründet mit Vorstand und Beisitzer und Steuerbefreiung durch das Finanzamt – es wäre keine Kirche daraus entstanden. Was die Kirche zur Kirche macht, ist nicht ihre Kirchenverfassung, sondern es ist der Geist Gottes, der in ihr wirkt – oder auch nicht. Wir sagen, es sei jemand „von allen guten Geistern verlassen“, wenn er etwas wirklich Dummes oder Schädliches macht. Auch die Kirche ist manchmal vom guten Geist Gottes verlassen und macht Dummes und Schädliches – die Kirchengeschichte ist leider voll davon.

Aber da, wo der Geist Gottes wirklich am Werk ist, da entsteht etwas Neues, Gewagtes, Mutiges, Einladendes. Warum? Weil in Jesus Christus Gott Mensch wird und uns zeigt, wie es menschlich bei uns zugehen kann. Er zeigt, dass Gott kein Tyrann ist, sondern als ein liebender Vater oder eine liebevolle Mutter am besten gekennzeichnet ist. Er wird gekreuzigt und begraben – und dann passiert die Auferstehung. Schon vor seinem Leiden hat er angekündigt, dass er seinen Heiligen Geist senden wird, der uns tröstet und einen guten Weg weisen wird. Und genau dieses Versprechen wurde beim ersten Pfingstereignis eingelöst. Wer Gott erkennen will in Jesus Christus, der wird um den Heiligen Geist beten, der Hartherzigkeit in Freundlichkeit verwandelt, der Blinde sehend und Taube hörend macht. Wir werden Gott nicht aus eigener Einsicht erkennen, sondern nur dann, wenn Gott sich uns offenbart. Ohne den guten Geist Gottes sind wir wirklich „von allen guten Geistern verlassen“. Wir bekommen keine bewegte Luft unter unsere Flügel, die uns auffliegen lässt.

Luft unter unsere Flügel, das ist es, was der Heilige Geist bewirkt: Beweglichkeit, wo die Starre droht, neue Wege, wo die alten sich zu oft als Sackgasse entpuppt haben, Freiheit, wo es zu eng geworden ist, Lebendigkeit, wo etwas abgestorben ist, neue Frische, wo etwas stickig und faul geworden ist. „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit!“, schreibt Paulus einmal an seine Freunde. Das wünsche ich jedem von uns – die Freiheit, die uns der Wind unter unseren Flügeln beschert. Es ist gut, wenn etwas in uns und zwischen uns in Bewegung kommt, oder?

Das wünsche ich jeder Kirchengemeinde – frische Gedanken und den Mut, das zu leben und miteinander zu teilen, was uns anvertraut ist. Und das wünsche ich ganz besonders unseren Kindern und Enkeln – damit sie in einer Welt leben, in der es menschlich und anständig zugeht. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen und uns allen ein gesegnetes und fröhliches Pfingstfest. (Matthias Vering, Mitglied der Gemeindeleitung)